Offener Brief einer Anwohnerin, Hausmiteigentümerin und Vermieterin

Liebe Frau Kaiser-Villnow, liebe Frau Dr. Licari,

sehr geehrte Damen und Herren der Bezirksversammlung Altona,

ich melde mich als mittelbar betroffene Anwohnerin und Hausmiteigentümerin sowie Vermieterin des Objekts Eulenstr. 51 zu Wort und spreche in meinem und meines Mannes Wolfgang Schönfelds Namen, im Namen meiner Miteigentümerin Frau Birgit Meyer sowie im Namen unserer sieben Mietparteien. Außerdem haben Herr Angelidis und Frau Altantzi vom Restaurant Nostalgia bei Sotiris, Eulenstr. 49, mich mit Informationen versorgt und darum gebeten, dass ihre Anliegen in meinem Beitrag berücksichtigt werden.

Bei den beiden Sperrungen des Lessingtunnels und dem S-Bahn-Ersatzverkehr der jüngsten Vergangenheit kam es in der Eulenstraße zu massiven Staus. Diese Staus blockieren nicht nur den Rettungsweg für Einsatzfahrzeuge aus den Wachen der Feuerwehr und Polizei in der Mörkenstraße, sondern bringen eine Abgasbelästigung mit sich, die ihresgleichen sucht – in einer einspurigen Einbahnstraße! Diese Abgasbelästigung führt zum einen dazu, dass es phasenweise und zeitweise über Stunden am Nachmittag und frühen Abend nicht möglich ist, die Wohnungen in unserem Haus straßenseitig zu belüften. Sie führt zum anderen dazu, dass den Gästen der Gastronomie der vordere Außenbereich kaum zuzumuten ist, geschweige denn den Mitarbeitern, die über Stunden den Abgaswolken ausgesetzt sind. Wenn nun die Ottenser Hauptstraße autofrei wird und parallel dazu der Lessingtunnel weiterhin gesperrt ist, d.h. die Behringstraße als Ausweichroute ausfällt, wird mit vermehrtem Verkehrsaufkommen bis zum Kollaps in der Eulenstraße zu rechnen sein. Denn auch die Elbchaussee ist in Stoßzeiten bereits jetzt überfrequentiert und es ist weltfremd anzunehmen, dass Autofahrer, die von der Simon-von-Utrecht-Straße kommen, auf die Elbchaussee abbiegen.

Die Situation der Parkplätze in der Eulenstraße (Abschnitt parallel zur Ottenser Hauptstraße) ist jetzt schon an der Grenze des Erträglichen. Die Autos stehen so dicht an dicht, dass unsere behinderte Mieterin mit ihrem Rollstuhl nicht auf den Gehweg gelangen kann. Auch ich bin gehbehindert und nutze zeitweise einen Rollator, mit dem ich ebenfalls kaum zwischen den Autos hindurchkomme. Wie mir seitens des Bezirksamts mitgeteilt worden war, wird dort angenommen, dass die Autofahrer statt in den nun autofreien Zonen Parkplätze im Mercado-Parkhaus nutzen werden. Wir halten das für weltfremd. Die Leute werden weiter einen kostenfreien Parkplatz suchen und die Parksituation in der Rothestraße und Eulenstraße wird vollends kollabieren. Es wäre der Feuerwehr anzuraten, jetzt schon einmal probeweise um 21 Uhr zu versuchen, mit einem Löschzug durch die Rothestraße zu kommen. Wenn dort ein Brand ausbräche, wäre es wegen der zugeparkten Straße nicht möglich, die Löschfahrzeuge zu platzieren. Ähnliches droht in der Eulenstraße, wenn die autofreien Zonen bestehen.

Ich halte es auch für wenig sozial, wenn für Eltern mit Kindern, ältere Menschen und die große Zahl der Behinderten, die keine Parkberechtigung und keinen eigenen Parkplatz haben (was die große Mehrheit ist, zu der ich auch gehöre – die formalen Hürden sind ungeheuer hoch, um eine Parkberechtigung oder gar einen eigenen Behindertenparkplatz zu bekommen), keine ihnen entgegenkommende Regelung getroffen wird. Vielleicht sollten diejenigen, die solche Vorschriften festlegen, erst einmal einen so belasteten Menschen eine Woche lang begleiten und selbst erfahren, was es heißt, z. B. als schmerzbelasteter Mensch seine Einkaufstaschen einen Kilometer weit zu tragen oder als Elternteil mit Sack und Pack und Kindern an der Hand solche Wege zurückzulegen. Wir haben einen gesetzlich festgelegten Gleichbehandlungsgrundsatz, Inklusion wird angeblich großgeschrieben und unsere Gesellschaft gilt als tolerant und sozial. Da nimmt es Wunder, dass in einem Handstreich ganze Bevölkerungsgruppen, die besonderen Schutzes bedürfen, unter den Tisch fallen.

Das Bezirksamt trägt vor, dass nur 27 Prozent der Ottenser Bewohner ein eigenes Auto hätten. Abgesehen davon, dass diese Zahl nicht belegt wurde (woher stammt sie?), wäre sie doch ein Argument für das Anwohnerparken und nicht dagegen. Dass kein Anwohnerparken eingerichtet wird, ist vollkommen rätselhaft und unverständlich. Wer soll denn durch die autofreie Zone entlastet werden? Warum wird ein Konzept, das in anderen Stadtgebieten hervorragend funktioniert, hier nicht angewendet?

Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass der Senat sich schon einmal entscheiden müsste, ob er nun die Steuern für immer mehr Autos einnehmen will oder sich zu einer Begrenzung der Neuzulassungen durchringen möchte. Die derzeitige Situation heißt Wein trinken und Wasser predigen.

Mittlerweile haben Taxis eine Einfahrtsgenehmigung in die autofreie Zone erhalten. Es sei Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren des Bezirksamts, sehr empfohlen, einmal zu versuchen, mit einem Taxi in eine Fußgängerzone zu fahren. Das wird sehr wahrscheinlich schon daran scheitern, dass der Taxifahrer die Einfahrt verweigern wird aus Angst vor Schlägen gegen und Tritten auf das Fahrzeug durch erboste Passanten, die nicht wissen, dass dieses Taxi passieren darf.

Frau Dr. Licaris Frage, warum diese sog. Testphase im Hauruck-Verfahren festgelegt wurde, ist mehr als berechtigt. Eine gründliche Recherche vor Ort mit der Befragung eines repräsentativen Querschnitts der Bewohner*innen, Mieter*innen und Vermieter*innen sowie Geschäftsleute des Quartiers erfolgte nicht. Im Gegenteil wurden wir als Vermieter und Mieter mit einer Hauswurfsendung vor vollendete Tatsachen gestellt. Unsere sofortige Einlassung an das Bezirksamt wurde mit lapidaren Argumenten abgetan. Sehr interessant auch die Auffassung des Bezirksamts, dass Anwohner sich einen Dauerparkplatz im Mercado-Parkhaus für 75 bis 85 Euro anmieten könnten. Offensichtlich hat der seit Jahren unbehelligt wuchernde Mietenwahnsinn in Ottensen für die sozialen Regierenden einen Normalstatus erlangt, sonst wäre wohl jemand einmal auf den Gedanken gekommen, dass sich nicht jede/r so einen Parkplatz leisten kann. Ganz abgesehen von dem Unsinn, dass man dann so weit laufen müsste (wenn man es denn könnte, s.o.), dass man auch gleich mit dem HVV fahren kann, weil der Weg zum Bahnhof derselbe ist wie zum Parkhaus.

Wie man Gewerbetreibenden in den betroffenen Zonen solche Erschwernisse bewusst und beabsichtigt zumutet, wie sie von ihnen beschrieben werden, entzieht sich meiner Kenntnis und meinem Verständnis. Wir haben hier noch eine gewachsene Struktur von einzelnen Gewerbetreibenden. In der Bahrenfelder Straße sind schon wegen der Konkurrenz durch Ikea einige Einzelhändler kaputtgegangen. Wenn man nun die noch vorhandenen Läden wie Apotheken oder Blumenhändler um ihre Be- und Auslieferungsmöglichkeiten bringt, fällt es noch schwerer, den Nutzen der Maßnahme für die Ottensener zu sehen. Im Gegenteil muss die Frage erlaubt sein, ob man die Kunden den großen Ladenketten in die Arme und die ansässigen Geschäftsleute in den Ruin treiben will?

Denke ich an das Schurkenstück der Bebauung des Zeise-Parkplatzes, frage ich mich unruhig, ob hinter dieser als bevölkerungsfreundlich dargebotenen Testphase vielleicht noch eine tiefergehende Planung der Umstrukturierung des Stadtteils steckt, die wir noch gar nicht auf dem Radar haben.

Auch die Besorgnis bezüglich des Cornerns sollte ernst genommen werden. Man kann das bereits am Alma-Wartenberg-Platz besichtigen und es ist doch nur eine Frage der Zeit, bis auch die neuen autofreien Zonen dafür genutzt werden.

Warum führt man kein Anwohnerparken ein? Warum überlegt man nicht, wie man weitere Barrieren im in großen Teilen denkmalgeschützten Stadtteil beseitigen kann?

Es verwundert übrigens auch, dass kurzerhand Asphalt aufgeschüttet wird und irgendwelche Holzgebilde aufgestellt werden, während unsereins als Hauseigentümer die Fassade nicht einmal in einer beliebigen Farbe anstreichen darf, weil dies dem Denkmalschutz widerspricht. Dass die gelben Holzkisten eine optische Einheit mit den denkmalgeschützten Fassaden bilden oder gar dem Charakter des Stadtteilbilds entsprechen, darf wohl stark bezweifelt werden.

In der Gesamtschau ist das Projekt weder sozial angelegt noch demokratisch entstanden. Es ist nicht gut durchdacht, lässt viele Fragen offen und Bewohner wie Geschäftsleute allein. Mit den Folgen werden Sie, sehr geehrte Damen und Herren des Bezirksamts, nur mittelbar konfrontiert werden. Gelebt und ausgehalten werden müssen sie von uns, den Ottenser Bürgerinnen und Bürgern.

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Maren Schönfeld

Autorin & Journalistin

Eulenstr. 51

22765 Hamburg

2 thoughts on “Offener Brief einer Anwohnerin, Hausmiteigentümerin und Vermieterin

  1. Tiff Wyatt

    Hallo Frau Goldig,
    ein Hinweis zu Ihrer Befürchtung, im Fall eines Wasserrohrbruchs könne kein Handwerker bei Ihnen anrücken: Handwerksbetriebe mit Notdienst (und einen solchen würden Sie ja vermutlich beauftragen) können Ausnahmegenehmigungen beantragen, die stadtübergreifend gelten. Es gibt in Hamburg genügend Notdienste mit einer solchen Genehmigung – schließlich kommen Wasserrohrbrüche und Co. auch in den vielen anderen Fußgängerzonen im Stadtgebiet mal vor.
    Viele Grüße
    Tiff Wyatt

  2. Anne Goldig

    Also besser hätte es nicht auf den Punkt gebracht werden können. Wir stimmen Ihnen, sehr geehrte Frau Schönfeld, als unmittelbar betroffene Bewohner der Ottenser Hauptstraße, Eltern eines kleinen Kindes mit viel Sack und Pack und einer in einem anderen Bundesland lebenden Familie, die sich mit einem Besuch bei uns nun aufgrund der Parkplatzsituation und Wege schwer tut, in allen Punkten vollkommen zu. Wir fühlen uns mitten in einer Großstadt übergangen und unangemessen benachteiligt. Von Demokratie kann hier keine Rede sein!

    Ich möchte an dieser Stelle kurz von einem Gespräch mit einem der Polizisten berichten, die die Einhaltung der Regeln des Projektes durchsetzen sollen. Auf meine Nachfrage, was eigentlich geschieht, wenn ich in meiner Wohnung in der autofreien Fußgängerzone einen Wasserschaden habe und der von mir zu Hilfe gerufene Handwerker bei der Anreise auf einen Polizisten trifft, wurde erwidert, dass dieser Handwerker ohne Durchfahrtsgenehmigung zum einen ein Bußgeld erhält und zum Anderen die “Zone” mit seinem KfZ unmittelbar verlassen muss. Als Polizist habe er keine andere Möglichkeit zu reagieren, auch wenn er selbst die Notwendigkeit natürlich nachvollziehen könne und es ihm sogar unangenehm sei, so reagieren zu müssen. Gut, ich mache also eibe Badeanstalt auf und beantrage eine Ausnahmegenehmigung, damit der Handwerker mit Glück in 14 Tagen zu mir vorfahren darf. 🙂

    Eine weitere Anekdote, die mir der Eigentümer unseres Hauses neulich erzählte: In unserem Haus ist aktuell eine Wohnung frei. Auf meine Frage, wann die denn zur Vermietung freigegeben ist, wurde der Eigentümer nahezu ungehalten und berichtete mir, dass sie gerne so schnell wie möglich wieder vermiete werden soll, er aber bisher von allen angefragten Handwerksfirmen, die mit der Renovierung der Wohnung vor Neuvermietung beauftragt werden sollten, Absagen erhalten habe. Keiner wolle sich mit dem Aufwand der Durch-und Anfahrt beschäftigen. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Ausnahme- bzw. Durchfahrtsgenehmigung nicht etwa für eine Firma beantragt werden muss, nein, sie muss für jedes Kfz-Kennzeichen einzeln beantragt werden. Dieser logistische Aufwand ist jeder Handwerksfirma nachvollziehbarer Weise zu groß. Unterm Strich bedeuter das für unseren Eigentümer Mietausfälle auf unbestimmte Zeit.

    Was das wiederum auf Dauer für uns als Mieter bedeutet…. ich denke das muss ich nicht weiter ausführen. Dabei müssen wir uns als Besitzer ZWEIER für die Ausübung unseres Berufs notwendiger PKW lt. Mitteilung des Bezirksamtes bereits mit Mehrausgaben von ca. 200 EUR PRO MONAT für Parkplätze abfinden, die uns quasi ungefragt aufgezwungen werden. Also dass soetwas in unserer Zeit und unserem DEMOKRATISCHEN Staat überhaupt mittels einer Postwurfsendung möglich ist, habe ich im Leben nicht geglaubt. Ggf. ist es das wert, den Rechtsweg zu beschreiten, um mal eine juristische Einschätzung zu derartigen Beschneidungen und Nötigungen hinsichtlich der Lebensumstände der unmittelbar und mittelbar betroffenen Bewohner zu erhalten.

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